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28.07.2017

Ehe man sichs versieht ist das Grundstück weg...

Eine Vor- und Nacherbschaft hat den Sinn, einen Erbanteil dem Begünstigten einstweilen «nur» als Sondervermögen zukommen zu lassen, wobei der belastete Erbanteil (spätestens) beim Ableben dieses Vorerben an den oder die Nacherben fällt. Besonders häufig werden solche Regelungen in Patchwork-Situationen getroffen. So soll einerseits der neue Ehegatte begünstigt, andererseits aber sichergestellt werden, dass nach dem Ableben des Begünstigten das Vermögen des Vorverstorbenen an dessen Nachkommen zurückfällt.
Je nach konkreter Ausgestaltung der Vor- und Nacherbschaft hat der Vorerbe mehr oder weniger Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse; so darf der Vorerbe bei der sog. Nacherbschaft auf den Überrest die Erbschaft grundsätzlich verbrauchen und über sie (entgeltlich) verfügen, so dass er bzw. sein Nachlass den Nachbegünstigten nur noch ausliefern muss, was bei seinem Tod noch vorhanden ist. Beinhaltete der Nachlass des Erblassers, welcher die Vor- und Nacherbschaft testamentarisch oder erbvertraglich begründet hatte, ein Grundstück, so kann indes (gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung, vgl. BGE 5A_377/2016) die paradoxe Situation eintreten, dass das Erblasser-Grundstück beim Vorerben im Zeitpunkt des Nacherbfalls (also grundsätzlich bei seinem eigenen Ableben) zwar noch vorhanden ist, er dieses jedoch trotzdem nicht ausliefern muss. «Schuld» ist die sog. Ausgleichszahlung.

Vor- und Nacherbschaftsfälle gibt es wie gesagt vor allem in Patchwork-Konstellationen: Ehegatten oder Lebenspartner wollen einerseits sicherstellen, dass der Überlebende von ihnen über das gesetzliche Mass hinaus erbrechtlich begünstigt wird. Namentlich soll er in der ehelichen Liegenschaft wohnen bleiben können. Dennoch soll sich andererseits das Erblasservermögen nicht mit dem Vermögen des begünstigten Partners vermengen, sondern z.B. an die eigenen Verwandten zurückfallen, wenn der begünstigte Vorerbe dereinst selber stirbt. Das alles ist gut und recht – wenn da das Bundesgericht im zitierten Entscheid nicht «en passant» folgenden Satz platziert hätte: «Ob die Auslieferung unter diesen Umständen in natura erfolgen kann, beurteilt sich anhand des Beteiligungsverhältnisses von Sondervermögen und freiem Vermögen der Vorerbin am Erbschaftsgegenstand.»

Hintergrund ist der folgende: Veräussert der Vorerbe einen Vermögenswert aus der Vorerbschaft, so tritt der Ersatzwert (das Surrogat) an seine Stelle und wird daher wiederum Bestandteil der mit der Nacherbschaft belasteten Vorerbschaft. Übernimmt also z.B. die Ehefrau als Vorerbin im Rahmen der Erbteilung ein Grundstück und kauft sie sich aus dessen Veräusserungserlös eine (bei ihrem Tod noch bei ihr vorhandene) Eigentumswohnung, so ist diese wiederum von der Auslieferungspflicht an die Nacherben erfasst – sollte man meinen. Problematisch wird es, wenn die Erbquote der Vorerbin nicht gross genug war, um sich das (ursprüngliche) zu übernehmende Grundstück auf ihren Erbteil anrechnen lassen zu können. Um sicherzustellen, dass der Vorerbe das von diesem gewünschte Objekt trotzdem übernehmen kann (und um mithin die Begünstigungsabsicht noch zu verstärken), kann der Erblasser dem Begünstigten das Auskaufsrecht zugestehen: So wird dem Erben in der Verfügung von Todes wegen gestattet, die Differenz zwischen seiner (mutmasslich zu geringen) Erbquote und dem Wert des zu übernehmenden Nachlassobjekts aus eigenem Vermögen in die Erbteilung einzuschiessen und das Wunschobjekt damit trotzdem übernehmen dürfen. Zum Stolperstein wird das Ganze nun, wenn diese Ausgleichszahlung grösser ist als der Erbanteil des Vorerben, weil dann das übernommene Nachlassobjekt ins freie Eigentum des Vorerben fallen soll (und nicht in das mit der Nacherbschaft belastete Sondervermögen).

Dies ergibt sich gemäss Bundesgericht (vgl. BGE 129 III 113ff.) sinngemäss aus einem Grundsatz aus dem Ehegüterrecht: Sind mehrere Gütermassen (Eigengut und Errungenschaft) desselben Ehegatten am Erwerb eines ihm gehörenden Vermögenswertes beteiligt, so kommt es für die Zuordnung auf das Übergewicht der Beteiligungen an. Es findet also keine proportionale Aufteilung des erworbenen Vermögenswertes statt, sondern dieser wird nach dem Grundsatz des engsten sachlichen Zusammenhanges gänzlich jener Masse (in jenem Kontext Eigengut oder Errungenschaft) zugeteilt, welche quantitativ mehr zu diesem Erwerb beigetragen hat (die andere Gütermasse erhält immerhin eine variable Ersatzforderung, vgl. Art. 209 Abs. 3 ZGB). Für unseren Fall der Vorerbschaft mit überwiegendem Auskauf einer Nachlassliegenschaft bedeutet dies: Die Nacherben erhalten zwar einen (wertmässigen) Anspruch gegen die Vorerbin in Höhe von deren einstigem Erbteil (genauer: Erbquote, basierend auf dem Verkehrswert der Liegenschaft); das Grundstück in natura «sehen» sie indessen nicht mehr, selbst wenn es bei der Vorerbin noch vorhanden ist; das Grundstück fällt in deren eigenen Nachlass und vererbt sich entsprechend der für für ihren Nachlass geltenden erbrechtlichen Bestimmungen bzw. ihren Verfügungen von Todes wegen.

Zwar würde Art. 490 Abs. 2 ZGB eine Sicherstellungspflicht der Nacherbschaftswerte vorsehen (welche greift, sofern der Erblasser nicht davon dispensiert hat). Doch hilft im vorliegenden Fall auch diese nicht: Die Verfügungsbeschränkung im Grundbuch (Art. 960 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) scheitert daran, dass die Liegenschaft aufgrund des Finanzierungsverhältnisses nicht als Teil der Vorerbschaft bzw. als Surrogat betrachtet werden kann – genau so, wie wenn der Vorerbe einen Barbetrag geerbt und sich daraus ein Grundstück angeschafft hätte, welches gar nie im Eigentum des Erblassers stand und nicht Bestandteil seines Nachlasses geworden war.

Die bundesgerichtliche Lösung mag zwar dogmatisch bestechen, sie widerspricht indes dem erbrechtlichen Willensprinzip. Dass der Erblasser durch das Einräumen eines Auskaufsrechts – je nach Höhe seines eigenen Nachlasses und des Erbanteils des Vorerben – sein Grundstück aus dem Sondervermögen eliminiert (oder eben nicht), vermag doch wohl weder diesen noch den objektiven Betrachter zu überzeugen. Die Realisierung des Erblasser-Willens sollte nicht von solchen Zufälligkeiten abhängen, und es erscheint widersinnig, ihn für das vorausschauende Einräumen eines Auskaufsrechts im Ergebnis zu «bestrafen». Sinnvoller erscheint, in einem solchen Fall den Nacherben die Möglichkeit zu geben, das «Vorerbschaftsobjekt» zu übernehmen unter Entrichtung der vom Vorerben einst geleisteten Auskaufssumme – und zwar unabhängig davon, ob diese kleiner oder grösser gewesen war als der Erbanteil des Vorerben. Ein solches Ablösungsrecht liesse sich m.E. ziemlich zwanglos in Analogie zu Art. 530 ZGB (und damit erbrechtlich) begründen (ohne die Lücke durch das Ehegüterrecht schliessen zu müssen). Höchstrichterliche Fortsetzung in dieser Frage folgt – hoffentlich...

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