Bindend oder nicht bindend, das ist hier die Frage.
Der für diese Thematik einschlägige Art. 494 Abs. 3 ZGB lautet lapidar: "Verfügungen von Todes wegen..., die mit seinen [des Erblassers] Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind, unterliegen jedoch der Anfechtung." Als mit dem Erbvertrag 'nicht vereinbar' gelten sämtliche Verfügungen des Erblassers, die seine vertraglichen Verfügungen von Todes wegen in irgendeiner Form verändern (den begünstigten Personenkreis einschränken oder ausweiten, die Erbquoten verändern, zusätzliche Auflagen enthalten etc.), sofern im Vertrag eine solche einseitige Änderungsmöglichkeit nicht vorbehalten wurde. Beweismässig suboptimal fällt ins Gewicht, dass die Vertragsparteien nach dem Ableben des zweiten von ihnen nicht mehr darüber befragt werden können, ob die betreffende Klausel in der Verfügung von Todes wegen effektiv bindend gemeint war oder nicht, ob also mithin nach ihrem Willen ein späteres Testament mit dem Erbvertrag vereinbar sei oder nicht. Ist die Urkunde unklar, so ist im Rahmen der Auslegung danach zu fragen, ob die Klausel dem Kontrahenten zum Vorteil gereicht und er somit ein für den Erblasser bekanntes (oder zumindest erkennbares) Interesse an deren Erfüllung hat (sog. Interessentheorie). Daraus hat die Praxis z.B. die (auf obigen Einleitungsfall anwendbare) Vermutung abgeleitet, dass der zweitversterbende Ehegatte nur bezüglich der Erben des erstverserbenden Ehegatten gebunden ist, er über jenen Teil, welcher an seine eigenen Verwandten gehen soll, jedoch weiterhin frei (zumindest in den Grenzen des Pflichtteilsrechts) testieren darf.
Ergibt sich letztlich, dass die betreffende Klausel bindend gemeint war, so ist der überlebende Vertragspartner darauf angewiesen, dass die durch die beabsichtige testamentarische Neuerung Betroffenen (also die Begünstigten aus dem Erbvertrag) mit ihm in einem (öffentlich beurkundeten) Erbverzichtsvertrag der Änderung zustimmen. Kommt ein solcher Vertrag nicht zustande, so geht der Erbvertrag dem ihm widersprechenden Testament jedoch nicht automatisch vor; vielmehr können (müssen) nach dem Ableben des Testators die aus dem Erbvertrag Begünstigten das Testament innert Jahresfrist anfechten, ansonsten trotz des Widerspruchs das (neuere) Testament den Erbvertrag verdrängt. In aller Regel ergibt sich also erst nach dem Ableben des Testierenden im Verfahren zwischen den erbvertraglich und den testamentarisch begünstigten Personen, welche Verfügung Vorrang hat. In einem neuen (dogmatisch indes schwer fassbaren) Entscheid (BGer 5A_408/2016 vom 21. Juli 2017) hat das Bundesgericht nun jedoch entschieden, dass die testierende Person noch zu ihren Lebzeiten – in einer sog. Feststellungsklage gegen den/die erbvertraglich Begünstigten – gerichtlich abklären (lassen) darf, ob der Erbvetrag eine Bindungswirkung entfaltet oder nicht, ob folglich ein dem Erbvertrag nachfolgendes Testament mit ersterem im Sinne von Art. 494 Abs. 3 ZGB "vereinbar" sei. Die (prozessualen) Konsequenzen dieses Bundesgerichtsentscheides sind prima vista schwierig abzuschätzen. So interessiert namentlich, ob nach dem Ableben des Testators ein Feststellungsurteil, welches die Bindungswirkung des Erbvertrages bestätigt hat, automatisch zur Nichtigkeit des Testamentes führt, oder ob weiterhin fristgerecht eine Testamentsanfechtung des/der erbvertraglich Begünstigten notwendig ist (letzterenfalls: ob/inwiefern der Richter an den früheren Feststellungentscheid gebunden ist).
Solche Unklarheiten sowie das Bemühen von Vermutungen können vermieden werden, wenn der Erbvertrag derart abgefasst ist, dass aus ihm – grammatikalisch und/oder systematisch – deutlich hervorgeht, welche Klauseln unter den Vertragsparteien tatsächlich mit bindender Wirkung (über den Tod des erstversterbenden Ehegatten hinaus) vereinbart sind, und welche eine spätere einseitige (testamentarische) Abänderung zulassen. Denkbar ist auch die Kombination derart, dass die Vertragsparteien zwar auf Zusehen hin eine bestimmte Anordnung vereinbaren, dem Überlebenden jedoch gestatten, gemäss freiem Ermessen oder bei Eintritt einer bestimmten Bedingung, davon (ganz oder teilweise) abzuweichen. Hierbei ist eine Abwägung vorzunehmen: Ist es z.B. dem erstversterbenden Ehegatten sehr wichtig, dass sich das Vermögen des Zweitversterbenden auch effektiv in seinem Sinne weitervererbt, so entspricht die Bindungswirkung dem Willen der Vertragsparteien. Soll hingegen der überlebende Ehegatte späteren Entwicklungen Rechnung tragen können, so ist die erbrechtliche Anordnung einseitig auszugestalten. Bei all diesen Klauseln ist zudem darauf zu achten, Schlusserbeneinsetzungen klar von Vor- und Nacherbschaften abzugrenzen. Ansonsten die Verwirrkung dann wirklich komplett ist.