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17.07.2020

Erbstreit im Hause Beller. Teilungsvorschrift oder (Voraus-)Vermächtnis?

Im Einzelfall kann unklar sein, was der Erblasser in seinem Testament effektiv gewollt hat. Diesfalls sind nicht selten langwierige und kostspiele Erbschaftsstreitigkeiten die Folge, sofern sich die Beteiligten nicht einigen können. Eine solche Situation kann eintreten, wenn der Erblasser im Testament sowohl Erbquoten festlegt als auch Nachlassobjekte an die einzelnen Erben verteilt.
Ausgangsfall

Der Boulevardjournalismus hat wohl (wie ein Teil der Bevölkerung) damit gerechnet: «Böser Streit um Walter Bellers Erbe!». Als unbeteiligte Zuschauer sind wir bestensfalls dankbar für bzw. neugierig auf die Informationen, die uns nun in regelmässigen Abständen dazu erreichen. Die Erben liegen sich aber, je anwaltlich vertreten, bereits in den Haaren. Die Kinder Natascha Beller und Patrick Beller wollen offenbar (gemäss «Blick») das Testament ihres Vaters nicht akzeptieren: «Jetzt streiten sich seine Liebsten ums Erbe!» (nau.ch).

Der am 19. Mai 2020 verstorbene «millionenschwere Geschäftsmann» Walter Beller hatte kurz (rund zwei Monate) vor seinem unerwarteten Tod ein handschriftliches Testament errichtet. In diesem hielt er mutmasslich (gemäss «Blick», welchem die Urkunde vorliegt) die Erbteile seiner Ehefrau Irina und seiner Kinder fest: «Konkret heisst das, sie bekommt die Hälfte seines Vermögens, die Kinder je ein Viertel.»

Zudem habe «Walter Beller ganz genau aufgelistet, was seine Kinder bekommen: 'Natascha eine Liegenschaft in Zürich, eine klar definierte Summe Geld und ein Bild von Hans Erni. Patrick eine Liegenschaft in Dübendorf, auch eine klar definierte Summe Geld und Uhren. Beide bekommen sicher mehr, als ihr Pflichtteil gewesen wäre. Der gesamte Rest, wie auch seine Immobilienfirma, geht gemäss Testament an mich.'», sagt Irina Beller gegenüber «Blick». Walter Beller verfügte ferner: «Sollte eine Partei... meinen letzten Willen anfechten, muss diese Person auf das gesetzlich absolute Minimum reduziert werden.»

 

Teilungsvorschrift vs. Vorausvermächtnis

Theorie

Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge erben in einer vorliegenden Konstellation der überlebende Ehegatte ½ und die beiden Kinder je ¼ des Nachlasses (Art. 457 ZGB; Art. 462 Ziff. 1 ZGB). Basis ist der Nachlass nach Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung. Bei der Erbteilung sind allen Erben im Rahmen ihrer Quoten Nachlasswerte zuzuteilen, wobei grundsätzlich alle Erben denselben Anspruch auf die Erbschaftsobjekte haben (vgl. Art. 607 Abs. 1 ZGB).

Nun ist der Erblasser jedoch befugt, testamentarisch seinen Erben Vorschriften über die Teilung zu machen (Art. 608 Abs. 1 ZGB). Dies hat der Erblasser vorliegend mutmasslich gemacht, indem er «seine» Objekte auf die einzelnen Erben aufgeteilt hat. Im Zusammenhang mit der allfälligen Bestätigung der gesetzlichen Erbteile seiner Erben bedeutet dies nicht, dass er einzelne Erben (etwa die überlebende Ehefrau) begünstigt hätte, weil sich jeder Erbe den vollen Wert der zugeteilten Objekte an seinen Erbanteil anzurechnen hat (womit sich heikle Bewertungsfragen stellen können).

Die Teilungsvorschrift beeinflusst weder die Grösse der Erbteile noch werden Nachlasswerte der Erbteilung entzogen. Das Gesetz vermutet (im Zweifel), dass «die Zuwendung einer Erbschaftssache an einen Erben als eine blosse Teilungsvorschrift und nicht als [zusätzliches] Vermächtnis» aufzufassen ist (Art. 608 Abs. 3 ZGB). Ist nicht ein anderer Wille des Erblassers aus seiner Verfügung ersichtlich (und nachweisbar), haben Erben eine Ausgleichszahlung an den Nachlass zu leisten, falls der Wert «ihrer» Objekte ihren Erbanteil übersteigt (Art. 608 Abs. 2 ZGB).

Im vorliegenden Fall (Grundsatz)

Ich teile deshalb unter obiger Prämisse die Vermutung des vom «Blick» befragten Rechtsanwaltes prima vista (vgl. jedoch «Knackpunkt», sogleich) nicht, dass die Kinder Bellers möglichweise ihren Pflichtteil durch das Testament verletzt sehen: Handelt es sich um eine (blosse) Teilungsvorschrift, kann dadurch ihr Pflichtteil unmöglich verletzt werden. Dies gilt freilich nur unter der Bedingung, dass der Erblasser die gesetzlichen Erbquoten effektiv derart testamentarisch wiederholt und sie auch so gewollt hat, und es sich hierbei nicht nur um eine Schlussfolgerung der Witwe bzw. der Presse handelt. Selbst bei Wiederholung der Quoten bestünde jedoch ein gewisser Widerspruch zur Verteilung sämtlicher Nachlassobjekte:

Knackpunkt: «Der gesamte Rest»

Ohne Kenntnis des Testamentswortlautes ist von aussen schwierig abzuschätzen, wo genau der (Haupt-)Streitpunkt liegen könnte. Liegt effektiv keine testamentarische Erbquoten-Festsetzung im Sinne der gesetzlichen Erbfolge vor, könnte die Zuweisung des «Rests inkl. Immobilienfirma» an die Ehefrau den Pflichtteil der Kinder durchaus verletzen. Auslegungsmässig stellte sich namentlich die Frage, ob diesfalls effektiv Teilungsvorschriften (auf Anrechnung an den gesetzlichen Erbteil) vorliegen, oder ob der Erblasser seinen Nachlass rein objektmässig, ohne Rücksicht auf die einzelnen Erb- und Pflichtteile, verteilen wollte. Zweifellos hätte ein sorgfältiges Redigieren des Testamentstextes Not getan.

Ein solches «Restrisiko» besteht m.E. selbst dann, falls die Erbquoten testamentarisch tatsächlich erwähnt sind, da der Erblasser nicht nur einzelne Nachlassobjekte, sondern im Ergebnis sämtliche Nachlasswerte – einzeln bzw. aufgrund einer Generalklausel – zuweist: Die testamentarische Verteilung der Nachlassobjekte könnte also auch in der Annahme des Erblassers erfolgt sein, dass damit den gesetzlichen Erbquoten wertmässig ungefähr entsprochen sei (obwohl dies effektiv vielleicht nicht der Fall ist). In beiden Fällen hätten indes die Kinder den Beweis zu erbringen, dass nach dem Willen ihres Vaters keine (blossen) Teilungsvorschriften vorliegen. Entgegen dem, was die Presseartikel suggerieren: So völlig klar scheint das Testament doch nicht zu sein, wenn man ins Detail geht. «Dabei sei es klipp und klar verfasst, sagt die Witwe, es lasse keine Fragen offen.» (Blick.ch).

Lebzeitige Zuwendungen

Im «Blick»-Forum wird darüber spekuliert, dass sich der Streit neben Bewertungsfragen um Nachlassobjekte – grundsätzlich gilt das Verkehrswertprinzip per Teilungstag (Art. 617 ZGB) – um lebzeitige Schenkungen des Erblassers z.B. an seine Ehefrau drehen könnte. Im Rahmen dieser «Diskussionen» wird behauptet, dass solche Schenkungen irrelevant seien, wenn sie mehr als fünf Jahre vor dem Ableben des Zuwenders erfolgt sind. Dies ist nur teilweise korrekt bzw. missverständlich.

Zunächst einmal können lebzeitige Schenkungen ohne weiteres Bestandteil der Erbteilung sein. Dies, falls es sich um Erbvorbezüge handelt. Da bei Schenkungen an den Ehegatten in aller Regel die Ausgleichungspflicht nicht angeordnet wurde (Art. 626 Abs. 1 ZGB), stellen solche Zuwendungen jedoch meistens keine Erbvorbezüge dar. Dennoch können solche Schenkungen den Pflichtteil von Nachkommen verletzen. Dass die unentgeltlichen Zuwendungen an den Ehepartner für die Pflichtteilsberechnung der Nachkommen nur dann relevant sind, wenn sie innert obiger Fünfjahresfrist erfolgt waren (Art. 527 Ziff. 3 ZGB), ist jedoch höchst umstritten. Es gibt gute Gründe für die Rechtsauffassung, dass es keine solche Befristung gibt, weil auch der Ehegatte unter die Empfängerkategorie gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB falle. Im Übrigen sind lebzeitige Schenkungen immer dann relevant (unabhängig des Ausrichtungszeitpunktes), wenn der Erblasser sie in «Pflichtteilsumgehungsabsicht» vorgenommen hat, d.h. wenn er im Zeitpunkt der Schenkung zumindest damit gerechnet hat, dass dadurch der Pflichtteil anderer Erben verletzt sein könnte (Art. 527 Ziff. 4 ZGB).

Strafklausel

Eine sog. privatorische Klausel liegt vor, wenn der Erblasser verfügt, dass ein Erbe abgestraft wird bzw. nur eine reduzierte Begünstigung erhält, falls er den letzten Willen nicht beachtet, indem er z.B. das Testament anficht. Solche Klauseln sind grundsätzlich zulässig, sofern/soweit sie dem Begünstigten nichts absprechen, was ihm von Gesetzes wegen zwingend zusteht.

Da im vorliegenden Fall Walter Beller die allfällige Testamentsanfechtung «nur» mit der Pflichtteilssetzung sanktioniert hat, dürfte die Strafklausel an sich zulässig sein. Im Falle einer Anfechtung einzelner Klauseln stünden den beiden Kindern damit nurmehr je 3/16 des Nachlasses zu. Liegen keine Teilungsvorschriften vor und verletzt die Zuwendung des «Restes» an die Ehefrau den Pflichtteil der Kinder, erhalten diese mittels der sog. Herabsetzung ohnehin nur diesen, unabhängig der Strafklausel.

Vorbehalten dürfte jedoch der Fall sein, da das Testament als solches zufolge eines Ungültigkeitsgrundes (Art. 519f. ZGB) erfolgreich angefochten würde und gänzlich wegfällt (z.B. Formmangel, fehlende Verfügungsfähigkeit, mangelhafter Wille): Obsiegen die Kinder diesfalls, wäre m.E. auch die Strafklausel unzulässig bzw. obsolet, weil eine solche ~ nur bei einer erfolglosen Anfechtung Bestand hat.

Fazit

Dass nun Anwälte grosszügig beschäftigt sind, ist fast selbstredend. Bezeichnender ist der zweitletzte Satz in Bellers Testament, welcher gemäss «Blick» lautet: «Ich hoffe alle meine Lieben gerecht behandelt zu haben und erwarte zufriedene Gesichter!». Die Illusion stirbt bei Erbstreitigkeiten zuletzt...

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