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21.08.2017

Und plötzlich ist da noch einer...

Frau A. wurde als junge Frau 1970 unverhofft Mutter eines Sohnes. Da der Kindsvater unbekannt und die Mutter mit dem Kind alleine überfordert war, gab sie den Sohn zur Adoption frei. Dieser fand denn auch bald eine Familie, die ihn adoptierte, und er wuchs fortan in der Adoptivfamilie wie ein leibliches Kind auf. Auch Frau A.'s Leben nahm eine glückliche Wendung. Sie lernte bald einen netten Mann kennen, heiratete und hatte mit diesem zwei weitere Kinder. Ende gut alles gut, also? Nicht unbedingt. Denn das alte Adoptionsrecht enthielt einige Tücken, derer sich heute viele Betroffene nicht mehr bewusst sind.
Um sich gegenseitig abzusichern und ihren Nachlass einfach zu regeln, schlossen die Ehegatten A. mit ihren inzwischen volljährigen gemeinsamen Kindern einen Erbverzichtsvertrag ab und setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein. Als nun Frau A. 2013 verstarb und ihr überlebender Ehemann – davon ausgehend, er sei Alleinerbe – den Erbverzichtsvertrag bei der zuständigen Behörde einreichte und eine Erbenbescheinigung beantragte, staunte er nicht schlecht, als ihm die Behörde eröffnete, der Erbvertrag müsse dem vorehelichen (wegadoptierten) Sohn seiner Frau mitgeteilt werden und dieser könnte sein Pflichtteilsrecht geltend machen.

Was die Ehegatten A. nicht bedacht hatten, war, dass nach dem bis 1973 geltenden Adoptionsrecht die Adoption das Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber den leiblichen Verwandten nicht zu durchbrechen vermochte. Ein – wie es damals hiess – «angenommenes Kind» behielt eine rechtliche Beziehung zu seiner «Herkunftsfamilie» und es bestanden weiterhin gewisse Rechte und Pflichten zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern. Wenn die Adoption innert den vorgesehenen Fristen nicht nachträglich dem neuen Recht unterstellt wurde, gelten diese Konsequenzen bis heute. So haben – sofern der Adoptionsvertrag keine Abweichungen zur gesetzlichen Regelung vorsah – altrechtlich adoptierte Kinder ein Erbrecht sowohl gegenüber den Verwandten der Herkunftsfamilie als auch gegenüber den Adoptiveltern, nicht jedoch gegenüber den weiteren Verwandten der Adoptivfamilie (wie z.B. den Grosseltern).

Mit dem Inkrafttreten des neuen Adoptionsrechts am 01.04.1973 hat sich die Situation der Adoptivkinder grundlegend geändert. Heute erlischt die Verwandtschaftsbeziehung zur Herkunftsfamilie mit der Adoption, und das adoptierte Kind erhält die gleiche Stellung wie ein leibliches Kind der Adoptiveltern. Diese Vereinfachung der Verhältnisse ist sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus juristischer Sicht absolut zu begrüssen. Bis sie allerdings für alle Nachlässe mit hinzu- oder wegadoptierten Beteiligten Anwendung findet, wird noch einige Zeit vergehen. Zeit, in der Überraschungen wie bei der Familie A. nicht ausgeschlossen sind.

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